by Helmut Peissl & Andrea Sedlaczek
(English abstract)
Throughout Europe, over 2,200 community radios and over 520 community TVs can be identified, which set themselves apart from both public service broadcasters as well as private commercial media. Community media are characterised by their non-commercial and participatory nature, being created by communities for communities at a local level. The social impact and quality of community media cannot be measured by economically and commercially orientated criteria such as audience reach, which dominate the media landscape. Numerous European and international publications, such as the recent Council of Europe report “Community Media – contributions to citizens’ participation” from 2022, show that a core function of community media is to enable and strengthen democratic participation and to provide a wide range of educational services with low-threshold access, which are becoming increasingly important in the light of current social developments.
The ongoing European research project MeDeMAP (2023–2026), led by the Austrian Academy of Sciences and involving nine partners, aims to clarify which democratic functions different media fulfil under which conditions for certain target groups and how media can best contribute to living democracy according to the current needs of different citizens. The MeDeMAP project is analysing media landscapes, regulation and framework conditions, audience needs and trust in different media in 10 countries. As part of the project, COMMIT will organise citizen parliaments in 4 countries that will discuss, formulate and adopt recommendations for strengthening the democratic role of media on the basis of the research results from MeDeMAP and with the involvement of national experts. For community media, the MeDeMAP research project will provide important evidence and arguments as to why media should not only be seen as economic goods, but also as a central prerequisite for strengthening democracy.
@Polina Zimmerman/ Pexels
(German full version)
Zur Relevanz von Community Medien aus europäischer Perspektive
Freie Radios und Community TVs bilden nicht nur in Österreich den „dritten Mediensektor“, der sich von öffentlich-rechtlichen und privatkommerziellen Medien abhebt. In ganz Europa identifiziert das Community Media Forum Europe über 2200 Community Radios und über 520 Community TVs, die sich dadurch auszeichnen, dass sie nichtkommerziell ausgerichtet sind und auf lokaler Ebene von Communities für Communities gestaltet werden. In einer Medienlandschaft, die überwiegend von einer kommerziellen Logik geprägt ist, stellt sich für Community Medien auch in Österreich die Frage, woran sich ihre Leistungen und ihre Qualität abseits des Fokus auf Reichweiten messen lassen.
Eine europäische Perspektive und der Blick auf internationale Institutionen wie den Europarat, das Europäische Parlament, die UNESCO oder die Vereinten Nationen, spielen dabei eine wichtige Rolle. Mit Grundsatzpapieren, Entscheidungen und Studien zu Community Medien sorgen diese Institutionen für eine zunehmende Anerkennung der Rolle von Community Medien in der Gesellschaft und wirken in die nationale Gesetzgebung hinein. Jüngste Beispiele dafür sind die „Joint Declaration on Media Freedom and Democracy“ der Vereinten Nationen mit der OSCE, OAS und ACHPR (2023) und die Erklärung des Europarats zu „Promoting a favourable environment for quality journalism in the digital age“ (2022). Beide Empfehlungspapiere streichen die Relevanz von Community Medien für demokratische Partizipation und Qualitätsjournalismus hervor und fordern die einzelnen Länder dazu auf, Maßnahmen zur nachhaltigen Stärkung dieser Medien zu treffen.
Eine neuere Publikation des Europarats und ein laufendes europäisches Forschungsprojekt, in denen das Community Medien Institut COMMIT involviert sind, können helfen, Kriterien zu identifizieren, mit denen die zentralen demokratischen Funktionen und Bildungsleistungen von Community Medien gemessen werden können.
Europarat-Studie zu Community Medien und sozialer Teilhabe
Im Europarat wird Medienpolitik stets vor dem Hintergrund der Menschenrechte diskutiert. Der Beitrag von Community Medien zu Medienvielfalt, Qualitätsjournalismus und sozialer Teilhabe wurde im Ende 2022 veröffentlichten Bericht „Community Media – contributions to citizens‘ participation“ näher beleuchtet. Basierend auf Fallstudien zu acht europäischen Ländern, darunter Österreich, Deutschland und der Schweiz, identifiziert der Bericht die zentralen Leistungen, die Community Medien über alle Länder hinweg auszeichnen. Darunter zählen deren Förderung von Vielfalt, Inklusion und Repräsentation, deren Beitrag zur Vermittlung von Medienkompetenz und der Stärkung von sozialem Zusammenhalt und demokratischen Werten. Aufbauend auf den identifizierten Leistungen aber auch den aktuellen Herausforderungen, vor denen der Community Medien-Sektor steht, formuliert der Bericht zentrale Empfehlungen zur Anerkennung und Förderung der gesellschaftlichen Leistungen von Community Medien. Empfohlen wird im Bericht unter anderem die klare Anerkennung von Community Medien als eigenem, drittem, Mediensektor mit ausreichender öffentlicher Finanzierung, die Aufwertung der Freiwilligenarbeit der beteiligten Programmgestalter*innen, sowie die Entwicklung von geeigneten Forschungsmethoden, mit denen diese spezifischen gesellschaftlichen Beiträge von Community Medien auch adäquat erfasst werden können.
MeDeMAP – Mapping Media for Future Democracies
Mit dem Zusammenhang von Medien und Demokratie im Sinne von Teilhabe beschäftigt sich auch ein laufendes europäisches Forschungsprojekt. Das Projekt „MeDeMAP“ unter der Leitung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Beteiligung von neun Partnern soll klären, welche demokratischen Funktionen unterschiedliche Medien unter welchen Bedingungen für bestimmte Zielgruppen erfüllen und wie Medien nach den aktuellen Bedürfnissen unterschiedlicher Bürger*innen bestmöglich zu gelebter Demokratie beitragen können. Community Medien, nichtkommerzielle Medien und Minderheitenmedien werden hierbei explizit mitberücksichtigt und als eigener Sektor betrachtet. Im Projekt MeDeMAP werden in 10 Ländern Medienlandschaften, Regulierung und Rahmenbedingungen und Publikumsbedürfnisse und sowie Vertrauen in unterschiedliche Medien analysiert.
Nico Carpentier und Jeffrey Wimmer streichen als Autoren des zentralen Theoriepapiers zu Demokratie und Medien (2023) die Besonderheit von Community Medien sowohl in Bezug auf die Form als auch im Ausmaß ihres Beitrags zu Repräsentation und Stärkung von Partizipation heraus: Community Medien erfüllen die wichtigen demokratischen Funktionen wie: unterschiedlichen sozialen Gruppen eine Plattform bieten, diverse Positionen sichtbar machen und einen gesellschaftlichen Dialog zwischen Gruppen ermöglichen. Community Medien bieten hierbei nicht nur eine Partizipation durch mediale Diskurse und Technologien, sondern eine maximale Partizipation in der Medienproduktion sowohl auf inhaltlicher als auch struktureller Ebene. Damit zeichnen sich Community Medien explizit aus, da traditionelle Medien nur sehr reduzierte oder minimalistischen Formen der Repräsentation und des Zugangs zur Produktion ermöglichen. Gerade zur Stärkung des Vertrauens in die Demokratie ist es bedeutsam, dass BürgerInnen und Bürger nicht nur Möglichkeiten zur medialen Beteiligung haben, sondern auch bei Entscheidungen zu den Medienstrukturen gestalten können.
In einer Zeit, in der die demokratischen Institutionen in Europa zunehmend in Frage gestellt werden, benötigen Bürger*innen Medien die ihnen helfen, informierte Entscheidungen zur Verteidigung der Demokratie zu treffen. Dazu ist es wichtig auch auf vertrauensvolle Medien zählen zu können. Nicht zuletzt deshalb wird es von Bedeutung sein, dass die in den Bürger*innenräten formulierten Erwartungen und Forderungen an Medien und deren Regulierung Gehör finden.
Bürger*innenräte zur Rolle von Medien und deren Beitrag zur Demokratie
COMMIT ist als Projektpartner bei MeDeMAP für die Konzeption der vier Bürger*innenräte verantwortlich, die Frühjahr 2025 in Österreich, Irland, Slowenien und der Tschechischen Republik tagen werden. In jedem der vier Ländern werden aus einer großen Gruppe von Bewerber*innen 20 Teilnehmende nach Diversitätskriterien ausgewählt und an vier Tagen beraten, welche Bedürfnisse Medien erfüllen müssen, um Themen und Interessen unterschiedlicher Gesellschaftsgruppen widerzuspiegeln und die demokratische Beteiligung zu stärken. Was kann die Medienregulierung und Medienpolitik dazu beitragen, um qualitativ hochwertige Inhalte zu gewährleisten? Wie sollten sich Menschen an der Gestaltung von Medien beteiligen können?
die beteiligten Bürger*innen werden auf Grundlage der Forschungsergebnisse aus MeDeMAP und unter Einbeziehung nationaler Expert*innen beraten und Empfehlungen zur Stärkung der demokratischen Rolle von Medien formulieren und verabschieden. Die Ergebnisse der Bürger*innenräte werden Medienverantwortlichen, politischen Entscheidungsträger*innen und der breiteren Öffentlichkeit in den jeweiligen Ländern vorgestellt. Am Ende des Prozesses werden die Empfehlungen der vier Bürgerräte zusammengefasst auch auf EU-Ebene präsentiert und diskutiert. Gerade auf EU-Ebene gibt es bereits sehr große Erwartungen an diese Form und die Ergebnisse der Politikgestaltung durch interessierte Bürger*innen. Es ist zu erwarten, dass die Ergebnisse auch für die Weiterentwicklung von Community Medien in Europa wesentliche Hinweise liefern werden.
Fazit
Der gesellschaftliche Impact von Community Medien lässt sich nicht an wirtschaftlich/kommerziell orientierten Kriterien wie Reichweiten messen. Zahlreiche europäische und internationale Publikationen belegen, dass eine Kernfunktion von Community Medien in der Ermöglichung und Stärkung von demokratischer Teilhabe und in breit gefächerten und niederschwellig zugänglichen Bildungsleistungen liegen, die vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen immer wichtiger werden. .
Das noch bis Anfang 2026 laufende Forschungsprojekt MeDeMAP wird wichtige Hinweise und Argumente dafür liefern warum Medien nicht nur als wirtschaftliche Güter zu sehen sind, sondern als zentrale Voraussetzung für die Stärkung der Demokratie. Die „Politiken der Repräsentation“ die allen Medien inhärent sind spielen eine ganz wesentliche Rolle bei der Beantwortung der Frage ob, bzw. welche Gruppen sich in welchen Medien noch wieder finden oder aber vom Diskurs ausgeschlossen fühlen. Für den Community Medien Sektor wird MeDeMAP helfen zukunftsorientierte Forschungsfragen und -methoden zu entwickeln, mit denen der gesellschaftliche Mehrwert von Community Medien in Europa angemessen weiter erforscht und dokumentiert werden kann.
Helmut Peissl ist Initiator und Geschäftsführer des Community Medien Institut COMMIT und engagiert sich für die Weiterentwicklung und Anerkennung von Community Medien in Österreich und Europa. Für die RTR, das Bildungsministerium und den Europarat hat er mehrere Forschungsprojekte zu Community Medien geleitet.
Andrea Sedlaczek arbeitet als wissenschaftlich-pädagogische Mitarbeiterin bei COMMIT in nationalen und europäischen Projekten. Ihre thematischen Schwerpunkte liegen im Bereich Kritische Medienkompetenz in der Erwachsenenbildung, Mehrsprachigkeit in Medien und Nachhaltigkeitskommunikation.
Reference
Peissl, Helmut & Sedlaczek, Andrea (2024). Demokratie fördern: Zur Relevanz von Community-Medien aus europäischer Perspektive. Land der Freien Medien, 2024, 14-15. http://landderfreienmedien.at/wp-content/uploads/2024/08/Land-der-Freien-Medien_Edition-2024.pdf